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Tourenbericht: Sorgente Bossi

Samstag, 12. Februar 2011: Erster Vorstoss hinter dem Donnersee
Seit der Januar-Tour hat es im Tessin so gut wie keinen Niederschlag gegeben und der Schmelzwasseranfall ist praktisch auf Null zurückgegangen. Am Samstag 12. Februar sollte es wieder soweit sein. Mit Pedro, André, Sebi und Hubert ist wieder einmal die komplette Mannschaft dabei.

Als Treffpunkt war 9 Uhr vor der Quelle abgemacht. Pedro und André stecken aber im Stau vor dem Gotthard-Tunnel. Als sie gegen 10.30 ankommen haben Sebi und Hubert bereits die bailout-Kette, 2 Scooter und 2 austarierte Trockenröhren im Quelltopf deponiert. Nach kurzer Lagebesprechung tauchen Sebi und Hubert ab und durchqueren den 90m-Siphon.

Drüben angekommen und umgezogen werden Seile, Verpflegung und Segeltrockies in die Schleifsäcke verpackt und los geht’s. Am Fuss des Dröhnschachtes werden noch weitere Seile sowie der Mast eingepackt und weiter geht’s. Hubert zieht an dieser Stelle seinen Segeltrocki unter den Schlaz. Sebi hat keinen und muss mit seiner etwas sperrigeren DUI-Tüte Vorlieb nehmen. Darüber passt leider kein Schlaz, also heisst es erstens nach der Seilstrecke unten im Lehm umziehen und zweitens Vorsicht walten lassen.

Nach gut 1 Stunde Fussmarsch sind die beiden am Donnersee angekommen. Aus der Donnerspalte dröhnt es gewaltig, der Wasserspiegel ist jedoch gegenüber dem letzten Mal um ca. 50cm niedriger. Hubert schwimmt als erster auf die andere Seite. Dieses Mal ist kein Tauchen erforderlich, denn über der Decke ist noch eine etwa 15cm hohe Luftglocke offen. Mit 4 Überquerungen bringt er die beiden Schleifsäcke und den Mast auf die andere Seite und wechselt auch gleich das Statikseil durch ein altes Bergsteigerseil aus.

Dann geht es daran, den 12-Meter-Masten im brusttiefen Wasser zusammenzusetzen. Eine gute halbe Stunde später kommen Pedro und André dazu. Als erstes wird die Chance des offenen Fensters genutzt für die durchgehende Vermessung mit dem DistoX.

Im Anschluss wird der Mast fertig zusammengesetzt und Pedro beginnt den ersten Schlot zu erschlossern. André und Hubert wechseln sich ab mit der Assistenz, denn dafür muss man im brusttiefen, 10 Grad kalten Wasser stehen. Der Schlot eröffnet sich direkt hinter der Auftauchstelle und scheint in die Richtung des bereits erforschten Systemteils zu zielen. Der am hinteren Teil des Sees liegende Schlot wird wegen seiner Nord-Süd-Richtung als der vermutliche Hauptgang identifiziert und daher „Kaspar-Schlot“ genannt. Der zuerst befahrene Schlot wird „Balthasar-Schlot“ getauft.
Flying Pedro. Zum Glück noch mit dem Jumar gesichert. Hätte echt ins Auge gehen können....
Pedro klettert am Mast hoch und setzt den ersten Anker in offensichtlich gutem Fels. Kaum umgehängt folgt die böse Überraschung. Begleitet von einem lauten "Hola" von Pedro reisst ein etwa 30x30cm grosser Felsblock mitsamt Anker heraus und Pedro baumelt mit seinem überdimensionalen Anhängsel am Mast. Knie gestossen, aber Glück gehabt, das hätte auch schief gehen können. Vom Schreck erholt wird ein neuer Anker gesetzt. Die Wände sind stark verlehmt, aber einige Minuten später steht Pedro in einem neuen, fast horizontalen Gang. Er macht eine Seilaufhängung und André und Hubert klettern hinterher. Sebi hat den Posten der "Wasserwache" gefasst und behält die Wasserhöhe im Auge. Da nicht bekannt ist, wie hoch und wie schnell das Wasser hier in der aktiven Zone anschwellen kann wir kein Risiko eingegangen.

Der horizontale Gang führt etwa 15 m weit über einen Sattel, danach eröffnet sich ein ca. 1x1m grosser Schlot in der Decke. Somit also Schlot "Balthasar 2". Etwa 10m weiter eröffnet sich ein Fenster in einen weiteren Schlot, "Balthasar 3". Dieser führt mit etwa 3 m Durchmesser steil nach unten, etwa 8 m weiter unten liegt ein glasklarer, tiefer See. Nach oben versperrt ca. 10m höher ein gewaltiger Felsbrocken die Sicht. Die Balthasar-Schlote sind vermutlich mit einiger Arbeit verbunden bevor man in die hochwassersichere Höhe kommt, aus diesem Grund wird zum Kaspar-Schlot umgesiedelt.

Der am Fuss des Schlot liegende Strand ist extrem lehmig. Sobald ein geeigneter Ansatzpunkt für den Mast gefunden ist legt diesmal André los. Wie schon im Long Dong Silver Schlot steckt André innert kurzer Zeit in einem engen, lehmigen Schluf. Die anderen drei machen derweil Brotzeit. Hinter dem engen Schluf eröffnet sich eine 8x8m grosse Halle mit einem Zubringer in der Decke. Pedro und Hubert klettern hinterher, der Zubringer ist allerdings nach wenigen Metern in einer verlehmten Spalte zu Ende. Es ist ein ungutes Gefühl zu wissen, dass diese Halle bei ansteigendem Wasserstand vermutlich komplett wassergefüllt ist.

Zurück und Lagebesprechung. Es ist mittlerweile nach 20 Uhr, mehrere Stunden Arbeit im kalten Wasser zollen ihren Tribut, also wird beschlossen, die Seile und den Mast auf den Balthasar-Pass zu bringen und umzukehren. Da dieser nun eingerichtet ist wird beim nächsten Mal wesentlich weniger Zeit im Wasser erforderlich.

Bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass der bislang unbefahrene mittlere Schlot (Melchior-Schlot) erstens der grösste ist (8x4m) und zweitens vermutlich einen kleinen Bruder hat. Es scheint, dass sich an der anderen Seite der Hallendecke ebenfalls ein grösserer Schlot (2x4m) befindet. Somit also Melchior 1 und Melchior 2. Insgesamt sind oberhalb des Donnersees also noch vier unbefahrene Schlote und ein See (eventuell Siphon 6) zu erkunden.

Sebi hat ebenfalls eine interessante Entdeckung gemacht. Der Donnersee klart zunehmend von der Wand her auf, hinter der sich in ca. 20m Entfernung der Balthasar-See befindet.

Genug für heute, Rückzug. Nach einer guten Stunde Fussmarsch sind alle heil an der Umkleidestelle. André und Hubert waschen die Schlaze diesmal nicht. André hängt das Seil in das von Pedro neu installierte Seilschloss, damit unbefugter Zutritt verhindert werden kann. Ein Unfall von "Gelegenheitstouristen“ und eine notwendige Rettung hinter einem 90m-Siphon soll unbedingt vermieden werden. Hubert und Sebi beschliessen zudem, dass Speleo-Material ebenfalls erst draussen zu waschen.

Gegen 22.30 beginnt der Rücktauchgang. Die nassen Seglertrockies und die lehmige Speleo-Ausrüstung lässt die Dry-Tubes schwer werden wie Schleppanker. Eine letzte Überraschung des Tages lässt ebenfalls nicht auf sich warten. Ab ca. 20m Tiefe verschlechtert sich die Sicht drastisch. Im tiefen Teil und vor Allem in der Engstelle auf  -90m beträgt sie nur noch 30cm. Da die Leine wegen der Gefahr des Hängenbleibens nicht direkt in der Engstelle verläuft sondern etwas weiter links in der Spalte heisst dies für mehrere Meter kein Sichtkontakt zur Leine. Das CCR Tauchen bringt hier eine nicht zu unterschätzende Sicherheit mit sich, da generell der Gasverbrauch unabhängig von der Tiefe ist.

Der Rücktauchgang dauert aufgrund der schlechten Bedingungen über 50 Minuten. Als kurz nach 23 Uhr und nach gut 12 Stunden in der Höhle Pedro als letzter aus dem Wasser steigt sind alle vier happy über die gelungene Tour. Nach einem kühlen Bier machen sich alle auf den Heimweg.

An diesem Samstag wurden insgesamt 72 Meter Neuland vermessen. Der Donnersee liegt ca. 40m über dem Wasserspiegel des Hauptsiphons. Die starke Trübung zeigt klar, dass die beiden Wasserspiegel direkt miteinander kommunizieren, obwohl im inneren Teil des 90m-Siphons praktisch keine Strömung zu spüren ist. Die Bossi ist mit nunmehr 2699 m Länge auf gutem Weg, das längste bekannte Höhlensystem des Kantons Tessin zu werden.

Hubert
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